Immendorf
verliert seine Selbständigkeit
von Gerhard Voell
(entnommen dem Festband "1100 Jahre Immendorf" mit freundlicher Erlaubnis des Autors)
Nichts erhitzte mehr die Gemüter der Immendorfer als die Ende der sechziger Jahre drohende Auflösung der selbstständigen Gemeinde. Die Gemeindevertretung verurteilte am 29. November 1968 die beabsichtigte Zusammenlegung mit der Gemeinde Arenberg. Man tat dies nicht, weil man etwa mit den Arenbergern nicht zusammen arbeiten wollte. Im Gegenteil. Die Zusammenarbeit mit den Arenbergern war gut. Die freiwillige Zusammenarbeit im Bereich des Schulwesens und der Friedhofsanlage und –unterhaltung sollte nicht durch den gewaltsamen Zusammenschluss mit der Gemeinde Arenberg aufs Spiel gesetzt werden.
An diesem 29. November 1968 fasste der Gemeinderat den einstimmigen Beschluss, die geplante Zusammenlegung abzulehnen. In der Resolution heißt es: „Immendorf hat, kann und wird seinen Bürgern alle notwendigen Einrichtungen bieten und soweit es notwendig ist, mit der Nachbargemeinde Arenberg gemäß den in § 7a des Selbstverwaltungsgesetzes vorgesehenen Möglichkeiten zur Einrichtung von Nachbarschaftsbereichen bereit sein. Die gewaltsame Zusammenfassung und damit die Vernichtung der Selbstständigkeit der Gemeinde wird als schärfster Eingriff in die Selbstverwaltung angesehen und zurückgewiesen... Die Verwaltungsvereinfachung kann und darf nicht dazu führen, dass etwa, was zur Zufriedenheit und zum Wohle der Bürger funktioniert, durch Gesetzeskraft zerstört wird."
Am 28. Februar 1969 beschäftigte sich der Gemeinderat erneut mit dem Thema. Schon mit etwas Resignation gab der Vorsitzende den Wortlaut des § 9 des fünften Landesgesetzes über die Verwaltungsvereinfachung vom 14. Februar 1969 bekannt. Im Protokoll ist nachzulesen: „Es entspann sich hier eine sehr rege und zum Teil hitzige Debatte. Mit Befremden wurde zum Ausdruck gebracht, dass das Parlament gegen den einstimmigen Beschluss der Gemeinde gehandelt habe. Von einer Selbstverwaltung gemäß der Gemeindeordnung habe der Gesetzgeber anscheinend keine Ahnung. Die mühsam aufgebaute Demokratie werde mit Füßen getreten. Ratsmitglied Kilian empfahl aus Protest den Rücktritt des gesamten Gemeinderates. Ratsmitglied Barz schlug vor, Klage beim Verwaltungsgericht zu erheben. Nach einer längeren Aussprache wurde folgender Beschluss gefasst:
Die Gemeindevertreter von Arenberg und Immendorf tagten am 7. März 1969 gemeinsam und man beschloss einstimmig, das neue Gebilde Arenberg-Immendorf zu nennen.
Während sich die Fachleute in der nachfolgenden Zeit um einen Auseinandersetzungsvertrag zwischen den beiden bis dahin selbstständigen Gemeinden bemühten, begannen schon die Vorbereitungen für die neue gemeinsame Gemeindevertretung und die zu wählenden Amts- und Mandatsträger.
Der Arenberg Gemeinderat tagte zum letzten Mal am 3. Juni 1996. Die Immendorfer trafen sich am 28. Mai 1969 zum letzten Mal im Gasthaus Giefer. Es waren die Gemeindemitglieder: Nikolaus Kilian, Peter Krämer, Karl Barz, Julius Messemer, Leonhard Nentwig, Horst Bolz, Hans Forneck, Ernst Heck, Josef Krissel, Johannes Quandt, Leo Gatz, Bürgermeister Edmund Scherhag, Hans Böhm, Beigeordneter Heinrich Giefer II, Otto Lauermann
Mit verständlicher Melancholie schloss der Vorsitzende diese letzte Sitzung. Wer aber gemeint hatte, damit sei nun die Gemeindereform beendet, der wurde bald eines Besseren belehrt. Schon auf der ersten Sitzung des neuen Gemeinderates Arenberg-Immendorf wurde über die geplante Eingemeindung in die Stadt Koblenz diskutiert. Diese Sitzung fand am 16. Juli 1969 im Hotel „Roter Hahn" statt. Harmonisch, nicht unbedingt auf Parteien- oder Gruppenzugehörigkeit achtend, wählte man die neue Gemeindeverwaltung. Heinrich Westerberg wurde einstimmig zum Bürgermeister gewählt. Zu Beigeordneten wurden Heinrich Giefer II und Peter Lewer benannt.
Während man nun kommunalpolitisch zur Alltagsarbeit überging, musste man sich schon bald wieder um seine Existenz bedroht fühlen. Die Landesregierung hatte am 20. April 1970 im Staatsanzeiger Nr. 15, Seite 103, die Eingemeindung von Arenberg-Immendorf in die Stadt Koblenz angeordnet. Die Gemeindevertreter argumentierten: „Diese noch nicht ein Jahr bestehende Gemeinde nunmehr in die Stadt Koblenz einzugliedern, widerspricht jeder politischen und sachlichen Notwendigkeit."
Es ist nicht Aufgabe des Chronisten, über Vor- oder Nachteile dieser Entwicklung Thesen zu entwickeln. Faktum ist aber, dass sich Bevölkerung und Gemeindevertretung bis zuletzt gegen diese Entwicklung gesträubt haben. Ohne Erfolg. Die letzte Sitzung des Gemeinderates fand am 5. November 1970 statt.
Teilnehmer waren als Vorsitzender: Bürgermeister Westerberg; die Beigeordneten: Heinrich Giefer II und Peter Lewer; die Ratsmitglieder: Horst Deilmann, Wilhelm Birkenbeil, Hans W. Piontek, Bernhard Alt, Hans Keil, Karl Barz, Heinrich Giefer I, Horst Bolz, Albert Hahn, Georg Knopp, Felix Scherhag, Karl Merz, Wilfried Scherhag, Hans Forneck; entschuldigt: Luise Marx, Hans Schmitt und Günther Lonz.
Als eine Art Testament kann man die letzte Amtshandlung betrachten. Die Umbenennung von Straßennamen infolge der Eingemeindung nach Koblenz war notwendig. Die Jahnstraße wurde in Kirchwiese, die Hauptstraße in Ringstraße, der Wiesenweg in Im Wiesengrund, der Weg zum Haus Eibel, Dühr etc. in Am Bienenstock und die Brunnenstraße in Quellenweg umbenannt.
War dies symbolisch ein Bruch mit der Vergangenheit? Gewiss nicht! Seit der Eingemeindung in die Stadt Koblenz haben Bürger, Gruppen, Vereine, Mandatsträger und Parteien unter Berücksichtigung bestehender Traditionen und Verpflichtungen ihr „Eineroff" weiterentwickelt. Nur so ist auch der 1100-jährige Geburtstag möglich geworden. Die Zukunft? Die Chronisten erhoffen, dass der Geburtstag unseres Stadtteils die Bürger von Immendorf noch enger miteinander in Kontakt bringen möge. Viele Philosophen und Staatstheoretiker können zitiert werden, wenn wir meinen: „Erst in der Gemeinschaft wird der Mensch zum Menschen".